Glück auf Rezept? Happiness Mentoring als Weg aus dem Stress

Glück als Kassenleistung – das klingt verlockend für alle, die unter psychischer Belastung und Stress leiden, aber sich nicht wirklich krank fühlen. Wie das funktionieren könnte, haben die Wissenschaftlerinnen Fiona Baer und Nathalie Marcinkowski in ihrer Forschungsarbeit untersucht. Dabei arbeiten sie mit einem Ampel-Modell, um drei Stufen psychischer Befindlichkeit zu unterscheiden:

  • Grün: Die Grundverfassung entspricht einem glücklichen Zustand, wir sind psychisch gesund, motiviert, belastbar und leistungsfähig.
  • Rot: Der psychische Zustand macht eine Psychotherapie notwendig, Stress-Symptome bis hin zu Depressionen und Burnout werden sichtbar.
  • Gelb: Der Glücks-Level liegt bei der breiten Masse irgendwo zwischen grün und rot. Eine Psychotherapie ist zwar noch nicht notwendig, aber bei fortgesetzter Belastung können psychische Probleme und Erkrankungen  entstehen.

 

Was ist nun der Sinn des Programms Happiness Mentoring?

Im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen des Gesundheitssystems soll hier der Fokus nicht auf die Behandlung von bereits eingetretenen Krankheiten, sondern auf die Prävention gelegt werden, indem das Glücksempfinden gesteigert und so Depressionen sowie Burnout vorgebeugt wird. Dies geschieht in einem mehrwöchigen Programm durch die Kombination von Einzelgesprächen, medialer Rückkopplung (Apps zur Steigerung des Glückzustandes) und einem Kursmodul. In der wissenschaftlichen Evaluation konnten positive Effekte auf die Lebenszufriedenheit der Kursteilnehmer nachgewiesen werden.

Die Idee, dass die Krankenkassen die Kosten für dieses Präventionsprogramm übernehmen, ist klasse. Es stellen sich allerdings zwei zentrale Fragen.Zum einen warten Menschen meist, bis der Leidensdruck unerträglich ist, bis sie etwas für sich tun, wieso sollten sie also in Zukunft bereits im gelben Bereich aktiv werden? Falls die Krankenkassen das Angebot zu einem Pflichtprogramm machen, entsteht ein Zwangskontext. Und da sich die meisten nicht gerne etwas vorschreiben lassen, sind im Zwangskontext Konflikte vorprogrammiert, die einen Erfolg des Happiness Mentorings in Frage stellen.

Zum anderen sollte die Verantwortung nicht weiterhin vornehmlich dem Einzelnen aufgebürdet werden. Wie heißt es so schön: „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“ Und tatsächlich werden die Arbeitbedingungen  in unserer Gesellschaft immer unwürdiger und gesundheitsschädigender. Es ist also lange überfällig, dass aus gesundheitspolitischer Perspektive mit einer flächendeckenden Verhältnisprävention begonnen wird. Große Konzerne haben bereits begonnen, etwa indem nach der Arbeitszeit die Server ausgeschaltet und Firmen-Handys nicht mehr benutzt werden dürfen, um die Arbeitnehmer zu schützen. Betroffen ist aber der gesamte Arbeitmarkt, wenn es darum geht, die Verhältnisse zugunsten gesünderer Arbeitsbedingungen zu verändern.

Mehr zum Programm: www.happiness-mentoring.com
Artikel zum Thema im Kölner Stadt-Anzeiger vom 10./11.10.2015