Narzissmus und Gas lighting – Checkliste für mehr Selbstwert und Selbstfürsorge

Gas lighting oder – nur Worte, aber trotzdem Gewalt

In meiner Praxis suchen mich immer häufiger (insbesondere) Frauen, teilweise aber auch Männer auf, denen es in ihrer Beziehung nicht gut geht. Sie fühlen sich schwach und erschöpft von ständigen Konflikten. Ihre Partnerschaft gleicht eher einem permanenten verbalen Machtkampf als einem vertrauensvollen Miteinander.

Was ihnen oftmals erst in den Sitzungen bewusst wird ist, dass sie psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Wie das aussehen kann und was Du dagegen tun kannst erfährst Du hier.

Gas lighting oder – wenn Dir Dein Partner mit seinen Worten die Sinne vernebelt

Vor allem im Kontext mit dem Thema Narzissmus ist der Begriff „gas lighting“ bekannt geworden. Er meint das Vernebeln der Wahrnehmung des Gegenübers in der Kommunikation. Aussagen wie „das habe ich nicht gesagt“, „das hast Du falsch verstanden“, „war nur ein Witz“ oder „Du bist sehr empfindlich“ sind, wenn sie häufig auftreten ein Indiz dafür, dass es sich um gas lighting handeln kann.

Bei der betroffenen Person führen solche Aussagen des Partners zu Verwirrung, man traut seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr und wird unsicher. Das genau ist, ob unbewusst oder bewusst manipulativ eingesetzt, das Ziel des Partners, denn eine unsichere Partnerin hat er leichter unter Kontrolle. Ist jemand in einer Partnerschaft, in der er bzw. sie eigentlich vertrauen möchte, permanent derartigen Kommunikationsmustern ausgesetzt, führt das zu Verwirrung, zu Gefühlen von Wertlosigkeit und Unzulänglichkeit.

Du fängst an, Dich für alles Mögliche zu entschuldigen, weisst aber gar nicht genau, was Du falsch gemacht hast. Du musst Dich dauernd um die Gunst des Partners bemühen. Natürlich kann ein solches Kommunikationsverhalten auch im Job oder unter Freunden auftreten, aber in der Partnerschaft und damit der engsten Beziehung ist es am häufigsten zu beobachten und hat die stärksten Auswirkungen auf die Psyche.

Weitere Anzeichen von psychischer Gewalt in toxischen Beziehungen

Wenn Du das Gefühl hast, dass Dein Partner Dich von anderen Menschen isolieren will, auch indem er diese schlecht redet ist das ein weiteres Anzeichen dafür, dass er Dich kontrollieren will, denn so wirst Du immer abhängiger von ihm. Damit fehlt das soziale Korrektiv, also Freunde und Familie, die Dich unterstützen und Deinen Partner auch mal kritisch betrachten.

Vielleicht versucht er aber auch, sich z.B. in Deiner Familie als besonders aufopfernd für Dich darzustellen, und Du weisst, dass das gar nicht stimmt, er eigentlich ganz anders ist, wenn Ihr alleine seid. Das bedeutet für Dich einen Spagat zwischen ihm und Deinen anderen Vertrauten, möglicherweise fängst Du an, ihn vor anderen zu entschuldigen, aber wohl fühlst Du Dich damit nicht.

Manche Betroffene empfinden sich als abgetrennt von anderen Kontakten oder wie in Watte gepackt. Auch starke Schwankungen im Verhalten Deines Partners Dir gegenüber sind auffällig, mal überschüttet er Dich mit Komplimenten und Zuneigung, dann wieder ist er kalt, abweisend und verletzend. Kritik an allem möglichen, oft auch am Aussehen oder am Gewicht sind typisch.

Was sind das für Typen, diese „Gaslighter“?

Obwohl Menschen, die ihren Partner(innen) gegenüber psychisch gewalttätig werden sehr souverän wirken, sind sie es eigentlich nicht. Eine andere Person kleinzumachen und unter Kontrolle bringen zu wollen hat gar nichts mit Selbstbewusstsein zu tun. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Gaslighter sind geplagt von einem geringen Selbstwertgefühl und leiden unter Verlustängsten. Und genau diese Gefühle und Ängste versuchen sie, durch ihr manipulatives Verhalten unter Kontrolle zu bringen. Das läuft oft automatisiert ab, da derartige Verhaltensmuster seit der Kindheit zum Eigenschutz perfektioniert wurden.

Die eigene Unsicherheit ist dann nicht mehr sichtbar, denn die hat er jetzt auf seine Partnerin projeziert. Im Grunde versteckt er sich, weil er sich selbst nicht liebt, aber durch seine Taktik erscheint er unangreifbar. Wer er letztlich ist und wie er sich fühlt, traut er sich gar nicht zu zeigen und versteckt sich stattdessen hinter einer souveränen Fassade. Seine Minderwertigkeit hat meist Ursachen in seiner Kindheit, in der er eine wenig verlässliche Bindung durch die eigenen Eltern erfahren hat.

Aus meiner Erfahrung in der Praxis weiß ich, dass Menschen mit derartigen psychischen Strukturen leider selten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, und wenn sind sie nach wenigen Stunden wieder weg. Zu bedrohlich ist es, dass jemand hinter die Fassade guckt und er sich erstmal mit dem eigenen Kleinsein, der Minderwertigkeit konfrontieren muss. Ein Partner mit einem gesunden Selbstwertgefühl hat dies nicht nötig. Er weiß, dass seine Partnerin aus freien Stücken bei ihm bleibt, er ist stolz auf sie, auf ihr Aussehen, ihre Fähigkeiten und kann ihr auf Augenhöhe begegnen.

Abwertung oder Augenhöhe – welche Beziehung möchtest Du führen?

Wenn Du in einer Beziehung wie oben beschrieben steckst, hast Du diesen Artikel wahrscheinlich nicht entdeckt, weil es Dir gut geht. Hier bekommst Du eine Checkliste für mehr Klarheit:

  • Was sind die positiven Seiten der Beziehung, was verbindet Euch (Berührungen, Sex, gemeinsame Hobbys, geistiger Austausch)?
  • Werden Deine wesentlichen Bedürfnisse, etwa nach Nähe und Verlässlichkeit ausreichend erfüllt?
  • Was sind die positiven Seiten Deines Partners? Was liegt Dir noch an ihm bzw. ist es wert, bei ihm zu bleiben?
  • Wenn Du Dich durch das Verhalten Deines Partners verletzt fühlst, schreib die Pros und Cons auf, wäge ab, ob Du mit diesen Verletzungen leben kannst bzw. willst.
  • Solltest Du finanziell abhängig sein oder durch gemeinsame Kinder oder Tiere aneinander gebunden, überleg mal, welche Optionen es gibt, diese Abhängigkeiten aufzulösen. Scheue Dich nicht, Dir mal den worst case auszumalen und was der für Dich bedeuten würde.
  • Frag Dich, inwieweit Du Dir selbst und Deinen Werten in der Beziehung treu bleiben, also letztlich Du selbst bleiben kannst (Selbstwertgefühl).
  • Versuche, für Dich zu sein und in Dich hineinzuspüren. Wie geht es Dir mit Dir selbst? Brauchst Du den anderen wie die Luft zum atmen oder kannst Du auch gut für Dich sein, Dich selbst gut versorgen?
  • Denk mal darüber nach, was Deine mangelnde Selbstfürsorge, Dich nicht durchsetzen oder abgrenzen zu können mit Deinen eigenen Erfahrungen zu tun haben kann.
  • Sprich mit Freunden, lass Dich nicht sozial isolieren.
  • Lass Dich professionell beraten, um Dein Verhalten jenseits Deiner starken Gefühle reflektieren und einordnen zu können.
  • Ob Du Dich trennen willst oder nicht – finde Dich selbst und mach die Dinge, die Dir Freude bereiten.