Mein Freund ist wie mein Vater – wodurch wir bei der Partnerwahl beeinflusst werden

Ein junger Klient berichtete mir von seiner hochstrittigen Beziehung, immer wieder flogen die Fetzen, wurde die Beziehung sowohl von ihm als auch von seiner Partnerin bei nichtigen Anlässen infrage gestellt. Eine andere Klientin findet wie mit magnetischer Anziehung immer wieder Männer, denen sie helfen möchte, gleich ob diese depressiv sind oder Alkoholprobleme haben.

Wenn sich Muster bei der Partnerwahl und in der Beziehungskonstellation wiederholen, hat das im Zweifel etwas mit der Herkunftsfamilie und den in der Kindheit erfahrenen Prägungen zu tun. Dass viele Menschen sich Partner und Partnerinnen suchen, die den Eltern ähnlich sind, ist keine neue Erkenntnis. Die Frage ist nur, warum tut man das, wo man doch endlich dem Elternhaus entkommen, nun erwachsen und scheinbar unabhängig ist. In den Therapiestunden legen wir die damit zusammenhängenden Muster und ihre Funktionen offen, um das eigene, oft von Anstrengung geprägte Bemühen bei der Suche nach dem oder der Richtigen zu verstehen.

Im Kontakt mit anderen suchen die meisten Menschen Vertrautes, denn Bekanntes vermittelt zunächst ein Gefühl von Sicherheit. Ein Klient beispielsweise geriet schon als Kind in die vermittelnde Rolle zwischen seinen Eltern, die ständig stritten und sich letztlich trennten. In der Familie war er das Älteste von drei Geschwistern, um die er sich kümmerte, wenn die Eltern mit sich selbst beschäftigt waren. Zwischen den Eltern fungierte er als Streitschlichter, seine Mutter forderte seine Loyalität auch in Konflikten mit dem Vater ein. Heute, bei der Suche nach einer geeigneten Partnerin fällt sein Augenmerk immer wieder auf deutlich jüngere Frauen, die er ebenfalls unterstützen kann. Das „Helfen“ ist eins seiner Schutzmuster, mit dem er beim Gegenüber punkten möchte und auch seine früh erworbene, gefühlte Unzulänglichkeit (‚ich konnte die Ehe meiner Eltern nicht retten’) zu kompensieren versucht. Seinen alten Glaubenssatz „es reicht nicht“ versucht er daher durch die Wahl seiner Partnerin unbewusst zu bearbeiten und ablegen zu können. Neben der Suche nach dem Bekannten und Vertrauten spielt daher auch die Sehnsucht nach Auflösung der Selbstblockade eine große Rolle, quasi ein gutes Ende für die alte Geschichte.

Aber das intellektuelle Gefälle in seinen Beziehungsanbahnungen macht ihn letzten Endes nicht glücklich. Zum einen ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe nicht möglich. Zum anderen kann er noch so viel unterstützen, dadurch wird er sein negatives Selbstbild, nicht zu genügen nicht los, weil es kein zu erreichendes Ziel gibt. Eigentlich bräuchte er auch mal jemanden, der ihn unterstützt. Aber sich womöglich schwach und hilfsbedürftig zu zeigen, passt nicht in sein altes Konzept und dazu, wie er von anderen gesehen werden möchte. Vielmehr unterstützt es den alten Glaubenssatz, nicht zu genügen.

Wie an dem beschriebenen Fallbeispiel deutlich wird, können wir uns nicht mithilfe anderer Personen aus diesem Dilemma befreien, gleich ob die nach dem Vorbild unserer Eltern ausgesuchten Partnerinnen und Partner uns unterstützen sollen oder umgekehrt wir sie retten wollen. Das können wir nur für uns selbst. Für meinen Klienten bedeutet das, sein Schutzmuster, also seine Helferrolle abzulegen und sich im Umgang mit potenziellen Partnerinnen authentisch zu zeigen als der, der er ist, ohne sich als ungenügend erleben zu müssen. Dazu gehört es auch, Unterstützung einfordern zu dürfen und nicht immer zu Diensten sein zu müssen. Das erfordert Mut, denn diese Verhaltensweisen sind nicht routiniert. Das Geschenk dafür ist eine Beziehung auf Augenhöhe, in der auch er von seiner Partnerin und deren Fähigkeiten, Talenten usw. partizipieren und gleichzeitig geben darf, so dass sich beide miteinander weiterentwickeln können.