Enttäuschungen positiv sehen – was ist Ihr eigener Anteil?

Wann waren Sie das letzte Mal so richtig enttäuscht? Als die Must Have Sneakers online leider ausverkauft waren? Als Ihr Partner Ihnen nicht wie versprochen Ihr Lieblingsessen kochte? Oder beziehen sich Ihre Enttäuschungen auf Ereignisse wie sich mal wieder in eine Illusion verliebt zu haben oder gar von der Partnerin betrogen worden zu sein?

Enttäuschungen, psychologisch gesehen

Eine Enttäuschung ist umso schmerzhafter, je höher die Erwartung und damit auch die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist. Natürlich ist auch die subjektive Bedeutsamkeit des Ereignisses relevant. Interessanterweise ist das Phänomen Enttäuschung bis heute psychologisch wenig erforscht. Das mag daran liegen, dass die mit Enttäuschungen einhergehende psychische Befindlichkeit mehrdimensionaler, individueller und damit schwerer greifbar ist als z.B. Liebeskummer oder Wut. Zudem hängt das Ausmaß der Enttäuschung auch von Faktoren wie dem Selbstwert, den persönlichen Bedürfnissen und der eigenen Kommunikationsfähigkeit ab (ziehe ich mich nach dem Vorfall zurück oder gelingt es mir im Gespräch, meine negativen Gefühle zu reduzieren?). Auch folgen auf eine Enttäuschung weitere Gefühle wie Frust, Ärger, Trauer oder auch Wut. Dadurch ergibt sich oftmals eine sehr individuelle Dynamik beim Erleben sowie bei der Verarbeitung. Letztere kann bei starken Selbstzweifeln in Rückzug mit Verbitterung münden. Oder die Fehler werden ausschließlich beim Verursacher gesucht.

Es war doch alles so schön – Der Enttäuschungs-Klassiker

Ein Klassiker in meinem Coaching und meiner Therapie sind Partnerinnen und Partner, die verlassen wurden. Sie sitzen mir zunächst genauso verwundet wie verwundert gegenüber und fragen sich, wie es so weit kommen konnte, wo doch alles so schön war, sie gar eine Bilderbuch-Ehe führten. Meine Arbeit setzt dann bei einer differenzierteren Wahrnehmung der Realität an. Denn das Leben ist nie schwarz oder weiß. In den Sitzungen zeigt sich nach und nach, dass meine Klientinnen und Klienten oft schon ganz zu Beginn der Beziehung Unstimmigkeiten gespürt haben, sei es, weil sie sich selbst zu sehr passend machten oder weil sie ohnehin nicht gut in der Lage sind, ihre eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse zu äußern. Oder sie übernahmen die Führung, ohne Rücksicht auf Verluste.

Solche Verhaltensmuster führen dann häufig zu einem Nebeneinander-her-leben, bei dem Probleme nicht gelöst, sondern immer weiter mitgeschleppt werden  und sich über die Zeit zu einem Berg auftürmen. Folge des wachsenden Frusts ist der totale Verlust an Nähe mit Freudlosigkeit, Leere und ohne jegliches „Wir-Gefühl“ bis hin zu verheißungsvoll erscheinenden Fremdbeziehungen.

Jede Krise ist eine Chance – Nutzen Sie Enttäuschungen zur Weiterentwicklung

Egal wie klein oder groß, ob in Partnerschaft, Freundschaft oder im Job – in jeder Enttäuschung liegt die Chance, seiner Intuition in Zukunft mehr zu vertrauen und es anders zu machen, für sich und auch für sein Gegenüber. Dabei ist es zunächst wichtig, der Enttäuschung (denn die Täuschung wird ja auch im Sinne des Wortes enttarnt) Raum zu geben, anstatt sie zu verdrängen. Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Frust sind nun mal da. Nehmen Sie den Moment, wie er ist, nicht um dauerhaft darin zu verweilen, sondern um zu verarbeiten, damit der Schmerz letztlich ohne bleibende Verbitterung wieder gehen kann. Die aus der Ent-Täuschung resultierenden Erfahrungen können Sie für Ihre Zukunft nutzbar machen.

Immer werde ich enttäuscht: Was hat das mit mir zu tun?

Verlassen Sie die Opferperspektive, enttäuscht worden zu sein, sondern schauen Sie sich aktiv an, worin oder in wem Sie sich selbst getäuscht haben. Die zentrale Frage, die man sich bei der Reflexion der eigenen Gefühle anschauen kann, ist: Welche Anteile sind in mir, die diese Enttäuschung möglich machten. Hier einige Aspekte, die zur Selbstreflexion beitragen können, mit dem Ziel, sich in Zukunft anders aufzustellen und Enttäuschungen besser bewältigen zu können:

  • Sind meine an mich selbst, sowie an Andere gerichteten Erwartungen angemessen?
  • Tue ich vielleicht ungefragt zu viel für andere und bin dann ungerechtfertigterweise enttäuscht, wenn nicht dementsprechend gleich viel zurückkommt?
  • Mache ich mich für andere passend? Wenn ja, in welchen Situationen und Beziehungsstrukturen und was sind meine Motive dahinter?
  • Kann ich meine Bedürfnisse angemessen äußern? Werden meine Wünsche von Anderen wahrgenommen?
  • Darf ich mir Kritik erlauben? Wie kann ich Kritik so formulieren, dass ich mich damit wohlfühle und meine Ziele erreiche, ohne Andere zu verletzen?
  • Wie reagiere ich auf Verletzungen?
  • Was sagt mir meine Intuition? In welchen Situationen kann ich sie wahrnehmen, hat sie mir geholfen? Ist sie stimmig mit meinem Verhalten?

Fakt ist, Enttäuschungen gehören zum Leben, aber je mehr wir uns selbst spüren, uns auf uns selbst verlassen, nach außen authentisch zeigen und mit anderen in Resonanz sein können, umso zufriedenstellender erfahren wir uns im Leben.