Kosenamen – politisch korrekt?

Kosenamen: Blüten der politischen Korrektheit

Neulich in Köln: Junge Eltern sitzen zusammen. Sie sind sich einig: Spitznamen sind etwas Schlechtes. Man darf seinem Kind keinen Spitznamen mehr geben. Das sei der neueste Trend, erzählte mir meine Tochter, die diese Haltung nicht teilt.

Ich verstand überhaupt nicht, warum man seinen Kindern keine Spitznamen mehr geben darf. „Na ja“, sagte sie, der Grund sei wohl, „dass dann der tatsächliche Vorname abwertend benutzt wird, weil man das Kind nur beim richtigen Vornamen nennt, wenn es etwas falsch gemacht hat bzw. es Ärger gibt.“ „Puh, die Welt wird immer komplizierter“, sage ich. Mittlerweile scheint mir, geht jede Leichtigkeit verloren und das, wo die globale Lage ohnehin selten von erfreulichen Meldungen bestimmt wird. Daher hier eine psychologische Einschätzung zum Thema ‚Spitznamen‘.

Kosenamen und Spottnamen: Spitznamen sind nicht per se schlecht oder gut

Es gibt Kosenamen, die positiv gemeint sind, klassisch, wenn auch nicht sehr originell, weil alles andere als einzigartig wäre das z.B. ‚Schatz.‘ (Kleiner Selbstversuch: Ruf mal ‚Schatz‘ im Supermarkt 🙂 Ein Schatz ist laut Definition bei Google eine „Ansammlung von kostbaren Dingen,“ also etwas, dass als wertvoll erachtet wird. Und es gibt Spott- oder Schimpfnamen, welche per se negativ gemeint sind, etwa ‚Schwachkopf‘ oder ‚Blödmann‘, aber auch solche mit einer das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder die Herkunft herabwürdigenden Bedeutung.

Was gilt es zu beachten bei der Vergabe von Spitznamen?

Bezieht sich der Spitzname auf eine erwachsene Person, ist zu berücksichtigen, ob die Person den ihr angedachten Spitznamen mag. Wenn nicht, sollte man es eher unterlassen, sie weiterhin damit anzusprechen, denn die Person hat schon zum Ausdruck gebracht, dass sie die Bezeichnung nicht als positiv bzw. respektlos empfindet. Bei Kindern, vor allem bei gerade geborenen ist das natürlich anders, denn die können sich noch nicht äußern. Ich hatte mal einen Klienten, der von seinem Vater ‚Meister‘ genannt wurde, aber dies war ironisch gemeint, da der Spitzname mit Kritik des Sohns (z.B. „das hast Du ja mal wieder super gemacht“ und dabei die Augen verdrehen) verwendet wurde. So ein väterliches Verhalten kann, vor allem wenn es über längere Zeiträume anhält, als demütigend und sehr verletzend erlebt werden.

Spitznamen können Verbundenheit ausdrücken

Spitznamen, vor allem wenn sie sehr individuell sind, können für ein hohes Maß an Intimität stehen. Damit meine ich nicht nur erotische Spitznamen für Partner. Denn Intimität bedeutet Nähe zwischen Menschen oder in Gruppen, die exklusiv ist, also nur den zugehörigen Personen gilt. Spitznamen können daher Innigkeit ausdrücken, wie eben von Eltern ihrem Kind gegenüber. Sind sie ein Ausdruck von Zuneigung, können sie emotionale Nähe, das Gefühl von Zugehörigkeit und emotionaler Verbundenheit stärken. Auch können sich Kosenamen  über die Zeit entwickeln und verändern, dies beschreibt die Lebendigkeit der Beziehung und den sich wandelnde Blick auf das größer werdende Kind. Kosenamen fördern Vertrautheit und positive Atmosphäre im Familienalltag. Sie können das Kind emotional stabiler machen. Und umgekehrt wäre ein Kosenamen-Verbot sehr kategorisch. Wie etwa geht es Kindern, die gerne einen hätten, aber keinen bekommen? 

Kosename und Vorname: Umgang in der Konfliktsituation

  • Kosenamen müssen im bei Ärger und Schimpfen nicht durch zwangsläufig den amtlichen Vornamen ersetzt werden. Überhaupt, bei Ärger sollte der Fokus (egal ob mit Verwendung des Kosenamens oder das Vornamens) weiter auf respektvoller Ansprache und einem vertrauten Ton liegen. 
  • Im Konfliktfall kann die Verwendung des Kosenamens trotz Kritik als Anker der Bindung dienen.
  • Auch in normalen Alltagssituationen kann das Kind sowohl beim Vornamen, als auch bei seinem oder bei mehreren Kosenamen angesprochen werden. Es muss keine kategorische Bewertung (Kosename = positiv, Vorname = negativ) vorgenommen werden. Warum überhaupt ist der richtige Name negativ zu bewerten, er wurde im Zweifel auch mit Liebe ausgesucht. Wichtig sind ein respektvoller Ton und eine transparente Kommunikation.
  • Grundsätzlich ist es bei Konflikten hilfreicher, aus der Ich-Perspektive zu sprechen (‚es macht mich traurig, dass …‘) anstatt das Kind mit dem Namen anzusprechen oder gar zu schreien.

Zusammenfassend: Wenn Psychologen sprechen, sieht man mal wieder: Die Welt ist nicht eindimensional …

… und Pauschal-Urteile oder Verbote helfen nicht. Die Verwendung des Kosenamens ist abhängig davon, wer anwesend ist, welchen Ton ich wähle und in welcher Beziehung ich zu meinem Kind stehe. Und darauf haben alle Eltern Einfluss, denn sie sind es, die gerade zu Beginn die Beziehung zu ihrem Kind maßgeblich gestalten. Wichtig ist es, dem Kind Geborgenheit vermitteln zu können, so dass sich dieses in seinem Zuhause und in der Beziehung zu seinen Eltern sicher fühlen kann.

Jungen Eltern kann ich daher nur mitgeben: Lasst Euch nicht verunsichern durch dogmatische Vorgaben, sondern wählt auf der Grundlage Eurer persönlichen Vorstellungen Euren eigenen Weg im Umgang mit Eurem Kind. 

Fazit für den Umgang mit Kosenamen:

  • Äußert das Kind Missfallen an seinem Spitznamen, unterlasse es, es weiterhin damit anzusprechen. Damit zollst Du ihm Respekt.
  • Frag Dein Kind, ob es seinen Spitznamen mag. Vielleicht findet ihr einen anderen, wenn es anders angesprochen werden möchte.
  • Vermeide Spitznamen, die doppeldeutig interpretiert werden können.
  • Achte auf den Kontext, manche Spitznamen können im Privaten verwendet werden, in der Öffentlichkeit sind sie fehl am Platz, weil nicht für fremde Ohren bestimmt.