Der Unterschied zwischen Coaching und Psychotherapie
Ich kenne Menschen, die gehen zu Therapie und nennen es Coaching. Denn der Begriff ‚Coaching‘ hört sich für viele Menschen nach wie vor weniger problematisch an als ‚Psychotherapie‘, womit schnell psychische Makel verbunden werden. Man ist es eben selbst schuld, einfach mal zusammenreißen, und dann wird’s schon wieder. So einfach ist es leider nicht. Durch Prominente, die sich mit ihren psychischen Leiden geoutet haben, ist die allgemeine Akzeptanz psychischer Störungen aber immerhin größer geworden.
Ganz einfach erklärt sind zwei Aspekte am bedeutsamsten:
1. Psychotherapie dient der Behandlung psychischer Störungen (wie Ängsten oder Depressionen) und hat das Ziel, seelisches Leid zu lindern. Coaching dient der Persönlichkeitsentwicklung, gleich ob im privaten oder im beruflichen Bereich. Der Coachee (also die Person, die das Coaching in Anspruch nimmt), ist psychisch stabil.
2. Im Gegensatz zum oft kurzfristigeren oder in Blockeinheiten stattfindenden Coaching ist die Psychotherapie gekennzeichnet als ein längerfristiger Prozess.
Wo hört das Coaching auf und wo fängt Psychotherapie an?
Das ist eine bedeutsame Frage, denn häufig sind die Übergänge in der Realität fließend. Auch Psychotherapie dient der Persönlichkeitsentwicklung. Aber Coaching eben nicht der Linderung von seelischem Leiden bzw. der Behandlung von Störungen. Hier muss eine ganz klare Grenze gezogen werden. Und im Gegensatz zu den Psychotherapeuten haben die Coaches keine sog. ‚Heilerlaubnis‘ (die eine staatliche Ausbildung erfordert) und dürfen Menschen mit psychischen Störungen nicht behandeln.
Psychische Gesundheit als Ergebnis der Psychotherapie
In der psychotherapeutischen Ausbildung erlernen Therapeutinnen und Therapeuten Methoden und Techniken, die erwiesenermaßen wirksam sind. Diese Werkzeuge geben Sie an ihre Klientinnen und Klienten weiter, wodurch diese befähigt werden, sich nach Abschluss einer erfolgreichen Therapie selbst zu stabilisieren. Das ist auch für die Zeit nach der Psychotherapie sehr wichtig, denn das Leben ist nicht statisch. Es können immer wieder Dinge passieren, die uns ‚aus der Bahn werfen.‘ Wenn wir, etwa bei Krankheit, Jobverlust oder nach dem Tod einer nahestehenden Person über das Werkzeug verfügen, uns selbst wieder ins seelische Gleichgewicht zu bringen, sind wir psychisch gesund.
Was qualifiziert den Coach?
Ob auf Insta oder Tiktok – selbsternannte Coaches tummeln sich mittlerweile zuhauf in der virtuellen wie in der realen Welt. Ich bin manchmal erstaunt darüber, wenn Bekannte oder Klienten mir berichten, bei dem einen oder der anderen einen Vertrag im fünfstelligen Bereich abgeschlossen zu haben. Häufig haben die Coaches keine fundierte Ausbildung, der Begriff ‚Coach‘ ist nicht geschützt. Viele von ihnen haben selbst einmal die Probleme (z.B. Schüchternheit oder Ängste) gehabt, die sie nun bei anderen behandeln. Mit Methoden, die uns Therapeuten genauso wie qualifizierten Coaches die Haare zu Berge stehen lassen. Und Betroffenheit macht nicht zwangsläufig einen Experten aus, besonders dann nicht, wenn keine Selbsterfahrung und -reflexion (wie bei zertifizierten Beratern und Therapeuten notwendig) stattgefunden hat.
Meine Bitte daher: Achten Sie bei der Suche nach einem passenden Coach oder Therapeuten auf dessen berufliche Qualifikation.