Melancholie: Die kleine Schwester der Depression oder durchaus bereichernd?

Im Gegensatz zur Depression: Melancholie ist keine Krankheit

Zwar geht es sowohl bei der Depression, als auch bei der Melancholie um Traurigkeit, aber die beiden Verfassungen müssen unterschieden werden. Während sich eine Depression durch typische Symptome wie gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Freud- und Interessenlosigkeit zeigt und ganz klar als psychische Störung mit hohem Leidensdruck definiert wird, verhält es sich bei der Melancholie anders.

Melancholie: Die Auflösung des Einsseins mit der Welt

Melancholie hingegen ist eine emotionale Befindlichkeit, die nicht behandlungsbedürftig ist. Und im Gegensatz zur Depression zeichnet sich die Melancholie durch Nachdenklichkeit und mit Wehmut über das Spüren der eigenen Vergänglichkeit aus. Oft wird die Qualität der Melancholie als ‚bittersüß‘ beschrieben, was etwas ganz anderes ist als krankhafte Niedergeschlagenheit. Melancholie entstehe in der Kindheit, sagt die niederländische Philosophin Joke Hermsen, und zwar dann, wenn wir uns als eigenes und abgetrenntes Selbst empfinden und sich dadurch die unmittelbare Verbundenheit, das Einssein mit der Welt auflöst. Aus der erlebten Vergänglichkeit des Einsseins resultiert die Sterblichkeit als zutiefste Bedingung des Lebens, des Menschseins. 

Melancholie: Endlich nicht mehr nur positiv denken müssen

Die niederländische Philosophin Joke Hermsen sieht durchaus Potenzial im der Verfassung der Melancholie und das vor allem vor dem Hintergrund des Trends, der heutzutage sehr en vogue ist, immer alles positiv sehen zu müssen. Mit dem ‚positive thinking‘ habe ich auch so meine Probleme. Sich in übelster Verfassung Affirmationen wie ‚mir geht’s gut‘ herunterzuleiern, in der Hoffnung, dass dies dann wahr wird, spart die anderen Gefühle aus und leugnet den Ist-Zustand. Der aber und die mit ihm verbundenen Gefühle müssen durchlebt werden, um sich von ihnen zu befreien und sie müssen gekannt sein, damit auch die gegenteiligen Gefühle spürbar sind. Sonst bewegt man sich auf einer emotionalen flat line. 

Melancholie als kreatives Potenzial

Der Melancholie kommt im Gegensatz zur Depression durchaus kreatives Potenzial zu, denn der mit Sehnsucht, mit Wehmut oder mit dem Verlustgefühl verbundene emotionale Zustand beinhaltet die Tiefe und Fülle des Lebens, auch wenn diese hier schmerzhaft ist. 

Aber damit ist Melancholie genauso wie Freude ein Teil der menschlichen Natur, die man nicht einfach ausblenden kann und auch nicht sollte. Denn ohne Traurigkeit kann es auch keine Freude geben. Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit kann durchaus motivierend sein, die Zeit zu nutzen. Die Kunst ist also letztlich die Fähigkeit, schmerzhafte Gefühle wie Melancholie zu leben und in Kreativität transformieren zu können, damit diese nicht dauerhaft präsent und möglicherweise krankhaft werden im Sinne einer Depression.

Positiv formuliert bedeutet eine gesunde Melancholie, den Schmerz zu erfahren, genauso wie Verbundenheit mit anderen, mit Aktivitäten, mit Orten oder in bestimmten Situationen, eben indem man im Augenblick aufgehen kann und das Leben mit seinen verschiedenen Facetten annimmt.

 

Foto: Bettina Fromm, Künstler: Friedrich Kunath, LitCologne 2025.