Kiffen bis der Arzt kommt – Panikattacken durch Cannabis

Immer wieder nehmen Klienten (meist jung und männlich) Kontakt zu mir auf, weil sie unter massiven Ängsten leiden. Was als Spaß gedacht war, führt leider unerwartet zu schweren Panikattacken und Angstzuständen. Die Betroffenen reagieren auf den Konsum der halluzinogenen Droge Cannabis mit Herzrasen, Beklemmungen und Atemnot bis hin zu Todesangst. Häufig werden diese Zustände von Empfindungen wie Depersonalisation und Derealisation begleitet. Das bedeutet, dass man sich z.B. beim Blick in den Spiegel als fremd wahrnimmt oder auch wie ferngesteuert agiert. Die Umgebung wird wie von außerhalb oder unbeteiligt erlebt, bspw. als schaue man von oben auf das Geschehen, das irgendwie entfernt und unscharf wirkt. Problematisch wird es, wenn diese Zustände nicht mit dem Nachlassen des Rauschs abklingen, sondern (meist in Wellen) wiederkehren.

Warum passiert das nur bei manchen Konsumenten?

Als verhängnisvoll und den Alltag schwer belastend wird es empfunden, wenn der Horror Tage nach dem Konsum nicht aufhört, sondern die Symptome immer wieder kommen. Tatsächlich hat dies mit der individuellen Psyche der Betroffenen und bestimmten Gegebenheiten zu tun. Zum einen sind jene oftmals wenig erfahren in punkto Drogenkonsum und es kommt zu einer Überdosierung, z.B. wenn das THC (der Wirkstoff des Cannabis, enthalten in Haschisch und Marihuana) in Form von Keksen konsumiert wird. Zum anderen besteht bei vielen Betroffenen eine hohe Sensibilität und eine Empfänglichkeit für Ängste. Dann reagiert der Organismus auf die halluzinogene, d.h. sinneserweiternde Droge besonders intensiv. Das Entgleiten der Wahrnehmung in Bezug auf Körper und Psyche führt zu Angst und Kontrollverlust. Die Derealisation kann dabei als Schutzmaßnahme des Organismus verstanden werden, welche vor unerträglichen Gefühlen bewahren soll. Manche Betroffene dürften ihre Gefühle und Bedürfnisse in ihrer Kindheit nicht äußern und haben gelernt, diese zu unterdrücken oder gar nicht mehr zu spüren. Oder man hat sich selbst in der Kindheit als hilflos erlebt, z.B. wenn die Eltern sich stritten oder gar trennten. Diese persönlichen Erfahrungen, kombiniert mit einer hohen Sensibilität führen dazu, dass starke Gefühle aufgrund intensiver Sinneswahrnehmungen beim Drogenkonsum als bedrohlich erlebt und in der Folge abgespalten werden. Häufig geht es um Verlassensängste, um Einsamkeitsgefühle oder die Empfindung von Unzulänglichkeit, weil die Betroffenen das Gefühl haben, nicht okay zu sein so wie sie sind und nicht akzeptiert zu werden. Die eigenen wenig angenehmen Emotionen wie Scham dann nicht spüren zu müssen ist der Versuch einer Lösung und für dieses Problem, wenn auch diese nur kurzfristig hilfreich ist.

Wie kann dieses Problem behandelt werden?

In der Akutsituation sollte man sich nicht scheuen, sich bei anwesenden Freunden, die noch handlungsfähiger sind, Unterstützung zu suchen, notfalls auch ins Krankenhaus fahren oder den Notarzt rufen zu lassen. Möglicherweise liegt eine Vergiftung vor. Ärzte haben übrigens Schweigepflicht. Falls die Symptome nach Abklingen des Rausches nicht verschwinden oder immer wieder auftauchen, kann eine Psychotherapie helfen. Achtsamkeitsübungen dienen dazu, die belastende Situation nicht zu verdrängen und die negativen Gefühle nicht kontrollieren zu wollen. Vielmehr geht es darum, zu akzeptieren, dass es nun gerade mal so ist und im nächsten Schritt loszulassen, aus den Gedankenschleifen herauszukommen. Auch kann ein — Tagebuch angenehmer Erlebnisse — helfen, die Verbesserung zu dokumentieren. Und nicht zuletzt ist es hilfreich, den Zusammenhang zwischen den Ängsten und der eigenen Geschichte zu verstehen. Nicht immer stark sein zu müssen, sich spüren zu dürfen und die eigene Sensibilität wertzuschätzen ist eine große Chance für mehr Zufriedenheit.